Mehrheit im Norden gegen die Kammer

Keine Kammer ist auch keine Lösung

Keine Kammer ist auch keine Lösung

Die Pflegenden in Schleswig-Holstein haben abgestimmt und sich deutlich gegen den Pflichtbeitrag und damit gegen die Pflegeberufekammer in ihrer jetzigen Form ausgesprochen. Es wird spannend, wie der Landtag mit diesem Ergebnis umgehen wird, um die pflegerische Versorgung vor Ort sicherzustellen und den Missständen in der Pflege entgegenzuwirken.

„Wir sind sehr enttäuscht, dass damit in Schleswig-Holstein bereits zum zweiten Mal eine Pflegekammer in Deutschland keine Chance erhalten hat, sich zu etablieren und ihre Arbeit aufzunehmen, sondern bereits vorher aufs politische Abstellgleis gestellt wurde“, erklärt Dr. Markus Mai, Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer und Präsident der ersten Pflegekammer Deutschlands, anlässlich des Abstimmungsergebnisses. Er erklärt aber auch: „Die Bundespflegekammer setzt weiterhin darauf, dass angesichts der Herausforderungen in der Pflege Pflegekammern in allen Bundesländern unverzichtbar sind. Wir sind gespannt, welche weiteren Schritte der Landtag, der die Befragung initiiert hat, aus diesem Ergebnis ableiten wird. Immerhin geht es um nicht weniger als die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung.“

Bedauerlich sei, dass die Selbstverwaltung in der Pflege so wenig Rückhalt bei den beruflich Pflegenden habe, aber auch bei der Pollitik. Denn in den vergangenen Jahren sind im Rahmen der Kammerarbeit gerade in Schleswig-Holstein wichtige Grundlagen für die Weiterentwicklung der Pflege geschaffen worden, wie der Entwurf einer Rahmenweiterbildungsordnung, die Schaffung eines Berufsregisters aber auch die Grundlagen einer Berufsordnung und einer Delegationsnorm, weiß Dr. Mai zu berichten. Und die Baustellen in der Pflege seien indes nicht kleiner geworden, es gebe neben Corona mannigfaltigen Handlungsbedarf für die Entscheidungsträger: Pflexit, Ruhestand von ca. 400.000 Pflegenden in den kommenden Jahren in Deutschland, Alterung der Gesellschaft und damit einhergehend erhöhter Pflegebedarf, Digitalisierung, Vorbehaltsaufgaben, Pflegepersonalbemessungsinstrument und vieles mehr. „Die Politik ist weiterhin aufgefordert, den Missständen in der Pflege zu begegnen und gemeinsam mit den Pflegefachpersonen Problemlösungen zu entwickeln. Diese auch gesellschaftspolitisch wichtige Aufgabe duldet keinen Aufschub“, fordert Dr. Mai die politischen Mandatsträger in Schleswig-Holstein auf.

Die Kammergegner in Schleswig-Holstein, allen voran Verdi und die FDP, haben die vergangenen Wochen und Monate genutzt, mit allen Mitteln gegen die Pflegekammer zu wettern und dabei auf die Pflichtmitgliedschaft und den Pflichtbeitrag abgehoben, weiß Dr. Mai, der die Wortgefechte unter anderem in den Sozialen Medien mitverfolgt hat. „Um die Weiterentwicklung der Pflege und die bestmögliche Patientenversorgung ging es dabei nur selten. Die Kammergegner haben jedenfalls keine sinnvolle Lösung angeboten.“ Die Inhalte des Berufs mitzugestalten, neue, attraktive Aufgabenfelder zu entwickeln und selbstbewusst Entscheidungsbefugnisse einzufordern, das könne die berufliche Pflege in der Selbstverwaltung selbst gestalten. „Nun entscheiden bald wieder andere darüber, was Pflege ist und sein soll. So wird der Pflegeberuf weder stark noch attraktiv“, befürchtet Dr. Mai.

Weiterführende Informationen:

Hintergrund für die Abstimmung war ein Regierungswechsel in Schleswig-Holstein und damit verbunden ein Landtagsbeschluss aus dem Dezember 2019, mit dem die Pflegeberufekammer aufgefordert wurde, eine Abstimmung unter den Mitgliedern durchzuführen. Dabei wurde der Wortlaut der zur Abstimmung stehenden Varianten vom Landtag vorgegeben. Die Wahloptionen lauteten:

  1. Die Pfegeberufekammer Schleswig-Holstein wird aufgelöst.
  2. Die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein wird unter Beibehaltung von Pflichtmitgliedschaften und Pflichtbeiträgen fortgeführt. Die Beiträge müssen für die Finanzierung auskömmlich sein.

Von den 23.637 abstimmungsberechtigten Mitgliedern der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein haben sich über 70 Prozent an der Abstimmung beteiligt. 1.430 der Pflegefachpersonen votierten für einen Fortbestand der Kammer. 15.942 Stimmen entfielen auf die Variante 1, Auflösung der Pflegeberufekammer. Das entspricht 91,77 Prozent der gültigen abgegebenen Stimmen und 67,44 Prozent der insgesamt Stimmberechtigten.

Zurück